Schweizer Eishockey vor dem Umbruch
Neue Ausländerregel: Was dafür und was dagegen spricht
Es ist ein hoch emotionales Thema: Schon ab 2022/23 sollen in der höchsten Schweizer Eishockeyliga pro Team zehn statt vier Ausländer eingesetzt werden dürfen.
Kristian Kapp, Philipp Muschg (TA)
Es dürfte erst im Frühling definitiv beschlossen werden. Und im Raum steht auch eine schrittweise Erhöhung. Aber es zeichnet sich dennoch ab, dass schon ab der Saison 2022/23 in der National League zehn statt vier Ausländer pro Partie eingesetzt werden dürfen. Das sportliche Niveau dürfte besser werden. Aber diese Lockerung birgt auch viele Gefahren. Und die Clubs wollen sie nicht aus sportlicher Sicht. Sie erhoffen sich, nicht zuletzt wegen der Krise mit dem Coronavirus, tiefere Spielerlöhne. Vor allem die gut verdienenden Schweizer in den hinteren Reihen sollen zur Kasse gebeten werden und durch billigere und mindestens so gute, wenn nicht gar bessere Imports ersetzt werden. Ist das bloss Wunschdenken oder tatsächlich umsetzbar? Die Diskussionen rund um dieses Thema sind teilweise hochemotional, es geht im Extremfall auch um gut 70 Arbeitsplätze von Schweizer Spielern in der National League.
Was den Fans nicht passt
Es brodelt im Publikum, und keiner merkt es. «Wenn wir jetzt ins Stadion dürften, könnten wir unsere Meinung mit Choreos kundtun», sagt der Fan-Delegierte eines grossen Schweizer Clubs. «Und ich gehe davon aus, dass alle Fans in der Schweiz sich untereinander abgesprochen und Spruchbänder gemacht hätten.» In diesen Worten steckt Sprengkraft. Denn die geplante Ausländerregelung verstärkt bei den Fans die Furcht, dass ihr geliebtes Eishockey nie mehr sein wird, was es einmal war. Dass nach dem Virus nun die Clubbosse gefährden, was den eigenen Verein so besonders macht.
«Man kann doch nicht Ausländer einem eigenen Junior vor die Nase setzen», formuliert es ein Saisonkartenbesitzer, «das macht die Identifikation mit dem Club schwieriger.» Dass er jüngst gebeten wurde, auf die Rückerstattung seines Abos zu verzichten, verstärkt das Gefühl der Isolation. «Ich finde schon, dass die Fans in dieser Sache ein Wort mitreden sollten.» Geschehen ist das bisher allerdings nicht, Clubs und Liga diskutieren ihre Reformpläne im ganz kleinen Kreis. Umso stärker das Echo, wenn bruchstückhaft doch etwas nach aussen dringt. Zehn Ausländer, diese Zahl macht Angst: 2,5-mal so viele wie bisher, die halbe Mannschaft.
Wer dafür ist
Marc Lüthi war stets die starke Stimme der Befürworter. Nun möchte er sich nicht mehr zum Thema äussern. Was er sagt: «Es geht um ein Paket, welches geschnürt wird. Dieses sollte man als Ganzes betrachten – es geht jetzt nicht um einzelne Themen und Bestandteile. Letztlich soll derjenige sprechen, der das Päckli verantwortet: der Ligachef.» Der angesprochene Ligadirektor will sich aber erst zum Reformprojekt äussern, wenn die À-fonds-perdu-Beiträge für die Proficlubs vom Parlament abgesegnet sind. Seine Clubs hat Denis Vaucher derweil gut im Griff: Wie Lüthi mögen die zahlreichen Befürworter von Davos über Zug bis Langnau nicht explizit über die neue Ausländer-Regelung sprechen, sondern verweisen auf den laufenden Prozess und aufs Gesamtprojekt, das auch im Detail noch zu bestimmende Faktoren wie Aufstockung, geschlossene Liga oder Lohnobergrenzen enthält.
Wer dagegen ist
Die ZSC Lions sind interessanterweise derzeit der einzige NL-Club, der gegen die Aufstockung Position bezieht. «Wir wissen aber, dass wir wahrscheinlich einen Mehrheitsbeschluss akzeptieren werden müssen», sagt CEO Peter Zahner. Der Grund für die Ablehnung der Lions: «Wir haben eine tolle, ausgeglichene Liga, ein gutes Produkt, den höchsten Zuschauerschnitt in Europa.» Dass die Spielerlöhne mit mehr Ausländern sinken können, glaubt zwar auch Zahner: «In der Theorie, unter dem Aspekt der Vernunft.» Er habe aber die Befürchtung, dass die Unvernunft eben dennoch zu gross wäre und die Clubs zu viel Geld ausgeben für die Ausländer. «Dann, wenn du das Gefühl hast, du brauchst doch die Besten. Und die kosten dann halt entsprechend.»
Warum selbst «Kleine» dafür sind
Diese Frage lässt sich relativ leicht beantworten: Weil für sie das Reformprojekt als Ganzes so existenziell ist, dass sie sich nicht alleine auf der Ausländerbegrenzung verzetteln wollen. Ambri in der Leventina, die SCL Tigers im Emmental: Nicht nur diese NL-Clubs sind längst keine lokalen Sportvereine mehr, sondern kulturell und wirtschaftlich bedeutende Unternehmen ihrer Region. Falls bei der Ligareform zum Beispiel der Abstieg abgeschafft und das sogenannte Financial Fairplay eingeführt würde, wäre das für die Stabilität dieser Sport-Unternehmen und damit Hunderte Arbeitsplätze von ungleich höherem Wert als die Anzahl Ausländer auf dem Matchblatt. Auch würde niemand gezwungen, das 10er-Kontingent auszuschöpfen. Zudem: Die SCL Tigers spielen bereits aktuell mit sechs statt vier Ausländern – dank ihrer «Lizenz-Schweizer».
Und was passiert mit den «Lizenz-Schweizern»?
Wer als Junior eine bestimmte Anzahl Saisons in der Schweiz spielte, gilt als «Lizenz-Schweizer» und zählt nicht zum Ausländerkontingent. Gerade für grenznahe Clubs ist und war diese Regelung schon bei der Nachwuchsrekrutierung ein wichtiger Faktor. Nun soll sie abgeschafft werden, ohne dass es deswegen bei Clubs oder Spielern zu Härtefällen kommt. Dass nur der Pass entscheidet, dürfte dennoch bloss für Leistungsträger unter den Lizenz-Schweizern wie den Österreichern Benjamin Baumgartner (Davos) und Dominic Zwerger (Ambri) oder die Letten Ronalds Kenins (Lausanne) und Ivars Punnenovs (Lettland, SCL Tigers) kein Nachteil sein. Ebenso abgeschafft würde die erst gerade eingeführte Möglichkeit, plötzliche NHL-Abgänger durch einen zusätzlichen Ausländer zu ersetzen.
Was die Zahlen sagen
Es lohnt sich, an dieser Stelle kurz den Durchschnittslohn in der National League zu erwähnen: 215’000 Franken pro Jahr, verteilt auf 524 Angestellte. Diese Zahlen sind öffentlich, weil das Bundesamt für Sport sie bei der Swiss Ice Hockey Federation einforderte im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zu den À-fonds-perdu-Zahlungen für den Profisport. Und diese Zahlen zeigen das Problem im hiesigen Eishockey: Die Clubs sind unübersehbar nicht in der Lage, ihre Ausgaben zu bremsen. Jetzt, wo wegen Corona plötzlich die Einnahmen fehlen, sind die Folgen gravierend, werden Auswege gesucht. Das «Financial Fairplay» mit einer weichen Lohnobergrenze und Bussen bei ihrer Überschreitung erscheint dabei weit praxisnaher als die Aufstockung der Ausländer. Denn eines haben die Clubs in der Vergangenheit wahrlich bewiesen: dass Geld, das ausgegeben werden kann, auch ausgegeben wird. Ob für vier, sechs oder zehn Ausländer.
Der Clinch innerhalb der Clubs
Pikant: Treiber der neuen Regelung sind vor allem die CEOs und Präsidenten. Viele Sportchefs, GMs und Junioren-Verantwortliche sehen die Aufstockung nicht gerne. Ironisches Beispiel ist der HC Davos: Sportchef Raeto Raffainer weibelte früher als Nationalmannschafts-Direktor schon gegen eine Aufstockung, nun arbeitet er bei jenem Club, der zusammen mit dem SCB und Lausanne bei einer ersten Abstimmung vor zwei Jahren der einzige Befürworter war. Auch beim Sportchef des EV Zug zeigt sich dieser Zwiespalt. «Darüber, ob die Zahl richtig ist, kann man streiten», sagt Reto Kläy. Er betont, dass sein Club weiter auf den Nachwuchs setzen will, und gelobt: «Wir haben keinerlei Interesse daran, dass diese Massnahmen dem Schweizer Hockey schaden.» Andererseits glaubt er, «dass Veränderungen immer auch Chancen bedeuten können». Und musste eine schmerzhafte Lektion lernen: «Man hat in dieser Krise gemerkt, dass die Wirtschaftlichkeit das höchste Gut ist, sie steht über allem.»
Die Nationalmannschaft
Denke er aus der Sicht künftiger Schweizer Spieler, seien zehn Importspieler ein haarsträubender Gedanke, sagt Patrick Fischer. Der Nationaltrainer denkt weiter: «Vielleicht sind es ja zunächst zehn, und irgendwann gibt es dann keine Beschränkung mehr.» Fischer sieht eine Motivation für junge Spieler gefährdet: «Es wird schwieriger, in die 1. Mannschaft eines NL-Teams zu kommen.» Er hat aber auch eine Gegenargumentation parat: «In der Schweiz wächst der Spieler in einem Umfeld auf, in dem es nicht so viel Konkurrenz gibt wie in anderen Ländern. Grösserer Konkurrenzkampf kann zu besseren Leistungen anspornen. Die Liga könnte mit mehr Ausländern besser werden – aber auf Kosten von vielen Schweizer Spielern.» Auf die Nationalmannschaft habe eine Aufstockung vorerst keinen Einfluss, sagt Fischer. Mit einem Einwand: «Auf der Goalieposition könnte sie Folgen haben.»
Die Sorgen-Position Goalie
Die Frage geht an Peter Mettler, bis letzte Saison Torhüter-Coach im Nationalteam, nun beim HC Davos tätig: Wie viele Nummer-1-Positionen wären mit zehn Imports heute sicher für Schweizer, die nicht Leonardo Genoni, Reto Berra oder Tobias Stephan heissen? Die Antwort: «Gute Frage.» Mettler hat zwei Standpunkte. Einer beinhaltet auch Kritik an Schweizer Goalies: «Die beeindruckenden Wege von Elvis Merzlikins und Ivars Punnenovs (beide Lizenz-Schweizer aus Lettland, die Red.) bewirkten nicht, dass die Schweizer noch härter an sich arbeiteten. Wir können solche Challenges nicht immer gut annehmen.» Der andere beinhaltet Sorgen, auch, was die möglichen Folgen für die Nationalmannschaft betrifft: «Werden wir die Geduld haben und Goalies wie Wüthrich, Hollenstein oder Aeschlimann weiterhin Plätze geben?» Er wolle die Situation aber auch als Chance sehen, sagt Mettler: «Wenn der Platz durch Ausländer bedroht wird, muss der Schweizer härter arbeiten, um in der Liga zu bleiben.» Als Beispiel nennt er Gilles Senn und dessen Kampf in der Organisation der New Jersey Devils: «Gilles verliess seine Komfortzone, er könnte in der Schweiz mehr verdienen. Das ist eine Frage der Persönlichkeit, das machen nicht alle.»
Wen die Schweiz nervös macht
Die Schweiz dürfte andere Märkte nervös machen. Rund 60 bis 70 neue Ausländer-Plätze in der NL? Das könnte vor allem die schwedische SHL und die finnische Liiga treffen. Die Schweden haben die Breite, um das einigermassen aufzufangen, in Finnland stellt sich hingegen schon die eine oder andere bange Frage. Die allerbesten Spieler verlieren beide Länder sowieso schon in einer Grosszahl nach Nordamerika oder in die KHL. Alleine in der NHL spielten letzte Saison 113 Schweden und 49 Finnen. Nun wird die in der Schweiz eh schon begehrte «Mittelschicht» der beiden Länder noch intensiver durch die Vorzüge in unserer Liga in die NL gelockt.
Neue Ausländerregel: Was dafür und was dagegen spricht
Es ist ein hoch emotionales Thema: Schon ab 2022/23 sollen in der höchsten Schweizer Eishockeyliga pro Team zehn statt vier Ausländer eingesetzt werden dürfen.
Kristian Kapp, Philipp Muschg (TA)
Es dürfte erst im Frühling definitiv beschlossen werden. Und im Raum steht auch eine schrittweise Erhöhung. Aber es zeichnet sich dennoch ab, dass schon ab der Saison 2022/23 in der National League zehn statt vier Ausländer pro Partie eingesetzt werden dürfen. Das sportliche Niveau dürfte besser werden. Aber diese Lockerung birgt auch viele Gefahren. Und die Clubs wollen sie nicht aus sportlicher Sicht. Sie erhoffen sich, nicht zuletzt wegen der Krise mit dem Coronavirus, tiefere Spielerlöhne. Vor allem die gut verdienenden Schweizer in den hinteren Reihen sollen zur Kasse gebeten werden und durch billigere und mindestens so gute, wenn nicht gar bessere Imports ersetzt werden. Ist das bloss Wunschdenken oder tatsächlich umsetzbar? Die Diskussionen rund um dieses Thema sind teilweise hochemotional, es geht im Extremfall auch um gut 70 Arbeitsplätze von Schweizer Spielern in der National League.
Was den Fans nicht passt
Es brodelt im Publikum, und keiner merkt es. «Wenn wir jetzt ins Stadion dürften, könnten wir unsere Meinung mit Choreos kundtun», sagt der Fan-Delegierte eines grossen Schweizer Clubs. «Und ich gehe davon aus, dass alle Fans in der Schweiz sich untereinander abgesprochen und Spruchbänder gemacht hätten.» In diesen Worten steckt Sprengkraft. Denn die geplante Ausländerregelung verstärkt bei den Fans die Furcht, dass ihr geliebtes Eishockey nie mehr sein wird, was es einmal war. Dass nach dem Virus nun die Clubbosse gefährden, was den eigenen Verein so besonders macht.
«Man kann doch nicht Ausländer einem eigenen Junior vor die Nase setzen», formuliert es ein Saisonkartenbesitzer, «das macht die Identifikation mit dem Club schwieriger.» Dass er jüngst gebeten wurde, auf die Rückerstattung seines Abos zu verzichten, verstärkt das Gefühl der Isolation. «Ich finde schon, dass die Fans in dieser Sache ein Wort mitreden sollten.» Geschehen ist das bisher allerdings nicht, Clubs und Liga diskutieren ihre Reformpläne im ganz kleinen Kreis. Umso stärker das Echo, wenn bruchstückhaft doch etwas nach aussen dringt. Zehn Ausländer, diese Zahl macht Angst: 2,5-mal so viele wie bisher, die halbe Mannschaft.
Wer dafür ist
Marc Lüthi war stets die starke Stimme der Befürworter. Nun möchte er sich nicht mehr zum Thema äussern. Was er sagt: «Es geht um ein Paket, welches geschnürt wird. Dieses sollte man als Ganzes betrachten – es geht jetzt nicht um einzelne Themen und Bestandteile. Letztlich soll derjenige sprechen, der das Päckli verantwortet: der Ligachef.» Der angesprochene Ligadirektor will sich aber erst zum Reformprojekt äussern, wenn die À-fonds-perdu-Beiträge für die Proficlubs vom Parlament abgesegnet sind. Seine Clubs hat Denis Vaucher derweil gut im Griff: Wie Lüthi mögen die zahlreichen Befürworter von Davos über Zug bis Langnau nicht explizit über die neue Ausländer-Regelung sprechen, sondern verweisen auf den laufenden Prozess und aufs Gesamtprojekt, das auch im Detail noch zu bestimmende Faktoren wie Aufstockung, geschlossene Liga oder Lohnobergrenzen enthält.
Wer dagegen ist
Die ZSC Lions sind interessanterweise derzeit der einzige NL-Club, der gegen die Aufstockung Position bezieht. «Wir wissen aber, dass wir wahrscheinlich einen Mehrheitsbeschluss akzeptieren werden müssen», sagt CEO Peter Zahner. Der Grund für die Ablehnung der Lions: «Wir haben eine tolle, ausgeglichene Liga, ein gutes Produkt, den höchsten Zuschauerschnitt in Europa.» Dass die Spielerlöhne mit mehr Ausländern sinken können, glaubt zwar auch Zahner: «In der Theorie, unter dem Aspekt der Vernunft.» Er habe aber die Befürchtung, dass die Unvernunft eben dennoch zu gross wäre und die Clubs zu viel Geld ausgeben für die Ausländer. «Dann, wenn du das Gefühl hast, du brauchst doch die Besten. Und die kosten dann halt entsprechend.»
Warum selbst «Kleine» dafür sind
Diese Frage lässt sich relativ leicht beantworten: Weil für sie das Reformprojekt als Ganzes so existenziell ist, dass sie sich nicht alleine auf der Ausländerbegrenzung verzetteln wollen. Ambri in der Leventina, die SCL Tigers im Emmental: Nicht nur diese NL-Clubs sind längst keine lokalen Sportvereine mehr, sondern kulturell und wirtschaftlich bedeutende Unternehmen ihrer Region. Falls bei der Ligareform zum Beispiel der Abstieg abgeschafft und das sogenannte Financial Fairplay eingeführt würde, wäre das für die Stabilität dieser Sport-Unternehmen und damit Hunderte Arbeitsplätze von ungleich höherem Wert als die Anzahl Ausländer auf dem Matchblatt. Auch würde niemand gezwungen, das 10er-Kontingent auszuschöpfen. Zudem: Die SCL Tigers spielen bereits aktuell mit sechs statt vier Ausländern – dank ihrer «Lizenz-Schweizer».
Und was passiert mit den «Lizenz-Schweizern»?
Wer als Junior eine bestimmte Anzahl Saisons in der Schweiz spielte, gilt als «Lizenz-Schweizer» und zählt nicht zum Ausländerkontingent. Gerade für grenznahe Clubs ist und war diese Regelung schon bei der Nachwuchsrekrutierung ein wichtiger Faktor. Nun soll sie abgeschafft werden, ohne dass es deswegen bei Clubs oder Spielern zu Härtefällen kommt. Dass nur der Pass entscheidet, dürfte dennoch bloss für Leistungsträger unter den Lizenz-Schweizern wie den Österreichern Benjamin Baumgartner (Davos) und Dominic Zwerger (Ambri) oder die Letten Ronalds Kenins (Lausanne) und Ivars Punnenovs (Lettland, SCL Tigers) kein Nachteil sein. Ebenso abgeschafft würde die erst gerade eingeführte Möglichkeit, plötzliche NHL-Abgänger durch einen zusätzlichen Ausländer zu ersetzen.
Was die Zahlen sagen
Es lohnt sich, an dieser Stelle kurz den Durchschnittslohn in der National League zu erwähnen: 215’000 Franken pro Jahr, verteilt auf 524 Angestellte. Diese Zahlen sind öffentlich, weil das Bundesamt für Sport sie bei der Swiss Ice Hockey Federation einforderte im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zu den À-fonds-perdu-Zahlungen für den Profisport. Und diese Zahlen zeigen das Problem im hiesigen Eishockey: Die Clubs sind unübersehbar nicht in der Lage, ihre Ausgaben zu bremsen. Jetzt, wo wegen Corona plötzlich die Einnahmen fehlen, sind die Folgen gravierend, werden Auswege gesucht. Das «Financial Fairplay» mit einer weichen Lohnobergrenze und Bussen bei ihrer Überschreitung erscheint dabei weit praxisnaher als die Aufstockung der Ausländer. Denn eines haben die Clubs in der Vergangenheit wahrlich bewiesen: dass Geld, das ausgegeben werden kann, auch ausgegeben wird. Ob für vier, sechs oder zehn Ausländer.
Der Clinch innerhalb der Clubs
Pikant: Treiber der neuen Regelung sind vor allem die CEOs und Präsidenten. Viele Sportchefs, GMs und Junioren-Verantwortliche sehen die Aufstockung nicht gerne. Ironisches Beispiel ist der HC Davos: Sportchef Raeto Raffainer weibelte früher als Nationalmannschafts-Direktor schon gegen eine Aufstockung, nun arbeitet er bei jenem Club, der zusammen mit dem SCB und Lausanne bei einer ersten Abstimmung vor zwei Jahren der einzige Befürworter war. Auch beim Sportchef des EV Zug zeigt sich dieser Zwiespalt. «Darüber, ob die Zahl richtig ist, kann man streiten», sagt Reto Kläy. Er betont, dass sein Club weiter auf den Nachwuchs setzen will, und gelobt: «Wir haben keinerlei Interesse daran, dass diese Massnahmen dem Schweizer Hockey schaden.» Andererseits glaubt er, «dass Veränderungen immer auch Chancen bedeuten können». Und musste eine schmerzhafte Lektion lernen: «Man hat in dieser Krise gemerkt, dass die Wirtschaftlichkeit das höchste Gut ist, sie steht über allem.»
Die Nationalmannschaft
Denke er aus der Sicht künftiger Schweizer Spieler, seien zehn Importspieler ein haarsträubender Gedanke, sagt Patrick Fischer. Der Nationaltrainer denkt weiter: «Vielleicht sind es ja zunächst zehn, und irgendwann gibt es dann keine Beschränkung mehr.» Fischer sieht eine Motivation für junge Spieler gefährdet: «Es wird schwieriger, in die 1. Mannschaft eines NL-Teams zu kommen.» Er hat aber auch eine Gegenargumentation parat: «In der Schweiz wächst der Spieler in einem Umfeld auf, in dem es nicht so viel Konkurrenz gibt wie in anderen Ländern. Grösserer Konkurrenzkampf kann zu besseren Leistungen anspornen. Die Liga könnte mit mehr Ausländern besser werden – aber auf Kosten von vielen Schweizer Spielern.» Auf die Nationalmannschaft habe eine Aufstockung vorerst keinen Einfluss, sagt Fischer. Mit einem Einwand: «Auf der Goalieposition könnte sie Folgen haben.»
Die Sorgen-Position Goalie
Die Frage geht an Peter Mettler, bis letzte Saison Torhüter-Coach im Nationalteam, nun beim HC Davos tätig: Wie viele Nummer-1-Positionen wären mit zehn Imports heute sicher für Schweizer, die nicht Leonardo Genoni, Reto Berra oder Tobias Stephan heissen? Die Antwort: «Gute Frage.» Mettler hat zwei Standpunkte. Einer beinhaltet auch Kritik an Schweizer Goalies: «Die beeindruckenden Wege von Elvis Merzlikins und Ivars Punnenovs (beide Lizenz-Schweizer aus Lettland, die Red.) bewirkten nicht, dass die Schweizer noch härter an sich arbeiteten. Wir können solche Challenges nicht immer gut annehmen.» Der andere beinhaltet Sorgen, auch, was die möglichen Folgen für die Nationalmannschaft betrifft: «Werden wir die Geduld haben und Goalies wie Wüthrich, Hollenstein oder Aeschlimann weiterhin Plätze geben?» Er wolle die Situation aber auch als Chance sehen, sagt Mettler: «Wenn der Platz durch Ausländer bedroht wird, muss der Schweizer härter arbeiten, um in der Liga zu bleiben.» Als Beispiel nennt er Gilles Senn und dessen Kampf in der Organisation der New Jersey Devils: «Gilles verliess seine Komfortzone, er könnte in der Schweiz mehr verdienen. Das ist eine Frage der Persönlichkeit, das machen nicht alle.»
Wen die Schweiz nervös macht
Die Schweiz dürfte andere Märkte nervös machen. Rund 60 bis 70 neue Ausländer-Plätze in der NL? Das könnte vor allem die schwedische SHL und die finnische Liiga treffen. Die Schweden haben die Breite, um das einigermassen aufzufangen, in Finnland stellt sich hingegen schon die eine oder andere bange Frage. Die allerbesten Spieler verlieren beide Länder sowieso schon in einer Grosszahl nach Nordamerika oder in die KHL. Alleine in der NHL spielten letzte Saison 113 Schweden und 49 Finnen. Nun wird die in der Schweiz eh schon begehrte «Mittelschicht» der beiden Länder noch intensiver durch die Vorzüge in unserer Liga in die NL gelockt.