Die Narzissmusfalle

      Die Narzissmusfalle

      Interessant, dass sich ein Gerichtspsychiater mit dem Thema "Narzissmus" beschäftigt und sogar ein Buch darüber geschrieben hat. ("Die Narzissmus-Falle") Auch wenn dieser "Herr Haller" meines Erachtens nicht sehr genau zwischen "normalem und pathologischem" (also krankhaftem) Narzissmus unterscheidet, lohnt sich doch die Lektüre des folgenden Interviews und sicher auch seines Buches. Ganz einfach und verkürzt gesagt ist der normale "Narzissmus" die Fähigkeit sich selbst gut, stark und liebevoll einzuschätzen und zu erleben, banal gesagt, sich selbst zu "lieben", was auch einen guten Ehrgeiz und ein relativ stabiles Selbstbewusstsein zur Voraussetzung hat. Gleichzeitig besteht aber die Fähigkeit sich auch das Erleben des Anderen vorzustellen und (der Situation) entsprechend darauf zu reagieren, oder sich einzufühlen.

      Der pathologische (krankhafte) Narzissmus ist die einzige Krankheit, mit der man Karriere machen kann, denn nach aussen fallen solche Menschen oft auch durch bewundernswerte Leistungen auf. Das Krankhafte (die völlig übersteigerte Sucht nach Bewunderung und Anerkennung und die permanente, versteckte Kränkbarkeit und Wut, wenn das nicht geschieht) bekommen vorallem die "Nächsten", die Familie, die Mitarbeiter zu spüren, und das kann fürchterlich werden. Eines der allgemeinsten Merkmale solcher Menschen mit narzisstischer Krankheit zeigt sich darin, dass eine völlige Unfähigkeit zu Humor, zu Selbstkritik, zu Trauer und zu den feineren Gefühlen besteht. Sie lassen sich nur leiten von "Grössen-und Allmachtsphantasien" und geraten sofort in hilflose Wut und schwere Kränkungen, wenn sich diese "idealisierungen" nicht erfüllen lassen. Solche Menschen können nicht differenzieren. Eine ganze Generation hingegen als "Generation ME ME ME" zu bezeichnen halte ich für zu populistisch und zu allgemein, auch wenn man sicher sagen kann, dass wir in einem "narzisstischen Zeitalter" leben. (Sogar die Heilsarmee - nicht nur Lys Assia - möchte am inzwischen rein "narzisstischen" und anspruchslosen "Songcontest" brillieren .. ;)

      Hier das interessante Interview: blog.tagesanzeiger.ch/berufung/index.php/1779/1779/
      Unsere Heimat ist die Schweiz. Aber die Heimat der Schweiz ist Europa. (Peter von Matt)
      Intressantes Thema:
      Wie passend das es gerade dieses Wochenende aufs Papier kommt wo "the Simpsons" Rosenkavalier Ralph endgültig vom Sockel gestossen haben.

      Aber irgdendwie meiner Meinung nach ein "Luxusproblem" unserer Zeit.
      Ohne Narzissmus kein Erfolg. Der Mensch muss ab und zu den Ego durchdrücken lassenn und von sich überzogen sein.
      Die Frage ist wo man hier die krankhafte Grenze zieht.

      Wie siehst du das Dylan. Ist der Narzissmus so ein brennendes Thema? Hätten wir nicht grössere Krankheiten wie Gier und Neid?


      Gruess in die neue Woche.
      Uuuuhhhhrrrrrrrr, Aaahrrrrrrrrrrr,
      Uuuuhrrrr, Aahhrrrrrrr,
      Ahhhrrrrg!!

      -Chewbacca-
      Lieber Jabba,

      Du sagst richtig, dass es nicht immer einfach ist,(ausser bei krassen Fällen) die Grenze zu ziehen zwischen normalem Narzissmus (Eigenliebe) und krankhaften, narzisstischen Persönlichkeitsstörungen. Allerdings bin ich schon der Meinung, dass auch der "Narzissmus" zum Triebhaften von uns Menschen gehört, wie das Sexuelle und die Aggression. Er ist quasi ihr "Begleiter" Drum ist m.E. die "Gier" und der "Neid", die Du erwähnst, vorallem dort, wo sie ein krankhaftes Stadium erreichen, nicht von den narzisstischen Störungen wegzudenken. Was heisst "Gier" und wo ist das krankhaft? Beim Kleinkind ist die "Gier" noch völlig normal und gehört zur gesunden Entwicklung. Die nehmen auch einen HCD-Wimpel in den Mund und wollen ihn essen ... (Gut, ich glaube bei "Rosenast" ist das immer noch so .. :D )
      Wird die "Gier" (d.h. die stärkste Ausprägung der "Lust") hingegen eingesetzt zu Ungunsten von anderen Menschen, wie wir das jetzt in der grossen Banken-und Finanzkrise gesehen haben und immer noch sehen, wird sie krankhaft und enorm schädlich, völlig rücksichtslos und egoistisch, kalt und brutal. Sie wird zu einem Instrument des "krankhaften Narzissmus"

      Beim Neid sehe ich das etwas anders: Der Neid, d.h. Neidgefühle sind völlig normal und zeigen eigentlich Wünsche an, solange der Neid bewusst erlebt und nicht verdrängt wird! Wenn man also neidisch ist auf etwas und das auch sagen und zugeben kann, dann ist der Neid kein Problem: Bsp: Ich bin neidisch auf jemanden, der mehr Fähigkeiten als ich auf einem Gebiet hat , wo ich auch solche Fähigkeiten haben möchte. Verdränge ich diesen bewusst erlebten "Neid" nicht, kann ich diese Menschen dann sogar bewundern.

      Ist der Neid hingegen verdrängt und nicht bewusst erlebt, dann wird er kleinlich, kindisch, mickrig, miesepetrisch und auch böse. Dann muss man alles entwerten, was der andere hat, weil man nicht zugeben kann, dass man dies oder jenes auch haben möchte, also entwertet man es: "Was? Du fährst für ein halbes Jahr nach Australien? Da würde ich nie hingehen. Scheiss-Land. Viel zu heiss im Sommer und im Winter nix los, etc .." "Was ihr seid Schweizer Meister geworden? Wie denn? Man hat nichts gemerkt .." u.ä.
      Du siehst: Auch wir Eishockey-und Fussballfans sind nicht gefeit vor dem "krankhaften Neid" manchmal, ;) der eben nicht als bewusst erlebter "Neid" erscheint, sondern als Entwertung der Leistungen von anderen.

      Sorry, über diesen längeren Ausflug in die "Tiefenpsychologie" ... ;) Und jetzt wirst Du mir wahrscheinlich vorwerfen, ich hätte wieder einmal einen ganzen Roman geschrieben. Ich kanns nicht besser ..
      Salve Jabba
      Unsere Heimat ist die Schweiz. Aber die Heimat der Schweiz ist Europa. (Peter von Matt)
      Könnte die nicht sehr genaue Unterscheidung zwischen normalem und pathologischem Narzissmus nicht darin begründet sein, dass diese Grenzen oft sehr schwer zu erkennen sind und oftmals verschwommen sind? Was ist normaler Narzissmus und was einfach normales gutes Selbstvertrauen? Das ist m.E. doch alles sehr schwammig und wie so oft versucht der Mensch zu schubladisieren. Dabei ist es oft nicht möglich. So wird doch als aktuelle Beispiel ein Investment Banker schnell mal in die Schublade "krankhafter Narzisst" reingeschoben. Mit dem Begriff Emotionslosigkeit und fehlender Empathie bin ich ebenfalls nicht einverstanden. Im Gegenteil! Aber vielleicht verstehen wir auch nicht dasselbe unter dem Begriff Emotionen?

      Dem normalen Narzissmus wie du ihn beschreibst, kann ich auf den ersten Blick nichts Schlechtes abgewinnen. Im Gegenteil, ich würde es sogar begrüssen wenn mehr Leute so wären. Eher problematisch sehe ich folgende Aussagen wie diejenige von Herr Haller: "Jetzt freue ich mich jedes Mal, wenn ich angegriffen werde, weil ich weiss, dass ich Rache nehmen kann an der mich kränkenden Gesellschaft, indem ich ihr den Narzisstenspiegel vorhalte."

      Mit dem krankhaften Narzissmus kann vielleicht Karriere gemacht werden, dafür ist eine allfällige Bruchlandung umso härter. Ich denke hier z.B. an einem Madoff. Während andere Personen negative Signale wohl früher warnehmen, werden diese bei einem krankhaften Narzisst wohl (un)bewusst ignoriert und bis zur letzten Sekunde vor der Bruchlandung glaubt man unantastbar zu sein.

      Du kannst mich ruhig korrigieren Dylan oder vielleicht habe ich es falsch verstanden, aber für mich hat Hedonismus nichts mit Narzissmus zu tun.

      Wie Herr Haller zwar auch erwähnt (Demokratisierung des Narzissmus), bin ich der Meinung, dass Narzissmus keinen "Trend" der Gegenwart ist. Das hat es schon immer gegeben. Und früher in einem viel extremeren Ausmass, wenn ich an all die Könige und Unterdrücker denke. Und wenn jemand Freude hat ein bisschen im Facebook Fotos zu posten, in dem er hofft die anderen seien neidisch auf ihre Ferienfotos, neues Auto oder was auch immer, dann zeugt das m.E. eher von einem Minderwertigkeitskomplex als von Narzissmus...
      Ich war noch nie Fallschirmspringen, aber ich hab' bei Google Earth schon mal irre schnell rangezoomt!! Ich alter Adrenalinjunkie.
      @ Santo

      Du hast mich im Wesentlichen nicht falsch verstanden. Hingegen ist ein Minderwertigkeits-Komplex immer und ohne Ausnahme im Hintergrund von narzisstischen, schweren Störungen wirksam, treibt ihn geradezu an! Bei den Händlern im Investementbanking hat der Neoliberalismus (Dein Lieblingswort ;) ) hingegen weltweit sehr viele krankhafte Narzissten hervorgebracht in den letzten 30 Jahren! Das schleckt keine Geiss weg. Aber es gibt keinen Beruf, wo das nicht vorkommen würde.

      Ein sehr gut lesbares und hochinteressantes Buch mit einigen brisanten Beispielen aus der Politik, das ich sehr empfehlen kann, ist das Buch von Hansjürgen Wirth: "Narzissmus und Macht"

      Hier: books.ch/detail/ISBN-978383792…M6O_rHlprcCFcNQ3godpH0A8A
      Unsere Heimat ist die Schweiz. Aber die Heimat der Schweiz ist Europa. (Peter von Matt)
      Vielen Dank Herr Dylan für diese Ausführung,

      Ausnahmsweise stört mich bei diesem Thema die Ausführung nicht. hier kannst du ja nicht ein lustiges Thema totplaudern.... :P

      Was mich ein wenig stört an der Geschichte das eben dieser Narzissmus jetzt auch als krankhaft bezeichnet wird. (Wäre ich evtl auch betroffen? Wo zieht man die Grenze zum gesunden Selbstbewustsein und Willensstärke?)
      Das sind solche Fragen welche mich beim lesen des Artikels stören.


      So, und mehr mag ich momentan nicht hinkritzeln.


      Gruess
      Uuuuhhhhrrrrrrrr, Aaahrrrrrrrrrrr,
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      Ahhhrrrrg!!

      -Chewbacca-
      @Dylan: Ich erwähne das Beispiel Facebook deshalb, weil ich das oberpeinlich finde. Ich habe einige Millionäre in meinem Freundeskreis - darunter auch einige Händler - die ein schönes Haus besitzen und schöne Autos fahren etc. Diese sind jedoch meist nicht auf diesen Portalen zu finden und saufen ihr Bier vor einem Hockeyspiel in einem hundsgewöhnlichen Spunten.

      Und diejenigen, welche ihre Fotos von ihrem Weekend auf dem Golfplatz oder ihrem Ticket für den Champions League Final posten sind meist diese, die genau nicht in diese Lohnklasse gehören. Und gehen nur in sogenannte In-Lokale. Daher nenn ich das irgendwie Minderwertigkeits-Komplex.
      Ich war noch nie Fallschirmspringen, aber ich hab' bei Google Earth schon mal irre schnell rangezoomt!! Ich alter Adrenalinjunkie.
      @Santo
      Jetzt weichst Du extrem vom Thema ab. Ich habe doch nirgends gesagt, dass Millionäre a priori "krankhafte Narzissten" sind. Eben gerade nicht! Wie käme ich dazu? "Krankhafter Narzissmus" ist völlig unabhängig von Herkunft und Einkommen und beruflicher Stellung, auch wenn es unter den "Händlern im Investementbanking" und bei reinen "Machtpolitikern" gehäuft vorkommt. Und dafür gibt es einige "Belege", auch von Kadermitgliedern von Banken selbst so bezeichnet.
      Auch ich kenne "Millionäre" - besonders herzliche, leidenschaftliche und starke Charakter, denen ich jederzeit vertrauen würde, und die ich sehr gerne habe.
      Unsere Heimat ist die Schweiz. Aber die Heimat der Schweiz ist Europa. (Peter von Matt)
      Dylan, da hast du mich falsch verstanden. Ich habe oder wollte dir nicht unterstellen, dass du das gesagt hättest. Es ist nur ein Beispiel in Bezug auf Facebook.

      Welche Erfahrungen hat man mit krankhaften Narzissten in der Psychologie? Sind es nicht gerade solche Personen, die sich nie in eine psychologische "Behandlung" begeben würden? Ansonsten würden sie ja an sich zweifeln und das wiederum passt m.E. nicht in das typische Bild eines krankhaften Narzissten? Oder werden diese durch eine Bruchlandung "geheilt"?
      Ich war noch nie Fallschirmspringen, aber ich hab' bei Google Earth schon mal irre schnell rangezoomt!! Ich alter Adrenalinjunkie.

      santo schrieb:



      (...) Sind es nicht gerade solche Personen, die sich nie in eine psychologische "Behandlung" begeben würden? Ansonsten würden sie ja an sich zweifeln und das wiederum passt m.E. nicht in das typische Bild eines krankhaften Narzissten? Oder werden diese durch eine Bruchlandung "geheilt"?


      @ Santo
      Sehr richtig! Sehe ich genauso. Die gehen nicht in eine Therapie, denn das wäre viel zu kränkend und das würde dieser angesprochene "Narzissmus" in dieser Ausprägung nicht zulassen. Stimmt: Sie gehen erst dann in eine Therapie, wenn tatsächlich eine "Bruchlandung" geschehen ist, z.B. ein Totschlag, eine schwere Verfehlung, die juristisch sanktioniert wird, oder manchmal erst dann, wenn alles zusammengebrochen ist, oder wenn sich schwere "Sekundärsymptome" zeigen, wie "Depressionen", oder ein unbändiges Suchtverhalten - und dann wird ja nicht der "Narzissmus" behandelt ... Geht ein "Strauss-Kahn" in Therapie? Oder wäre ein "Uwe Barschel" in Therapie gegangen, oder die schwersten, perversesten und kränksten Narzissten wie "Adolf Hitler, Josip Stalin, Mussolini, Kim Jong Irgendwer? Franzisco Franco? Milosevic? Karacic? Um nur die ärgsten zu nennen, die in Europa je ihren fürchterlichen, auch massenmörderischen Auftritt hatten?

      Aber bleiben wir bei uns ganz gewöhnlichen Menschen: Wie "Jabba" schon angetönt und vermutet hat: Die Grenze zwischen "normal und pathologisch" verläuft manchmal viel fliessender, als wir meinen und glauben und gerne möchten.. Nicht nur beim Thema "Narzissmus" Don`t forget: Wir haben nur etwa 3 Prozent andere, weiter entwickelte Gene, als unsere frühen "Freunde" die Primaten ...Und die wären nie auf die Idee gekommen "Massenvernichtungswaffen" zu erfinden ... ;)
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