Spenglercup 2020

      Bericht aus der NZZ

      Eine Träne für den Spengler-Cup

      Erstmals seit 1949 findet in der Altjahrswoche kein Spengler-Cup statt. Ohne das traditionsreiche Turnier fehlen dem HC Davos nicht nur zwei Millionen Franken Einnahmen. Die Eishockeyanhänger verlieren auch den Anlass, der sie jeweils für sechs Tage die Rivalität vergessen liess.



      Die Macht der Gewohnheit wird uns am 26. Dezember kurz vor drei Uhr nachmittags vor den Fernsehapparat führen. Der Finger wird auf die Fernbedienung zucken. Kanal 2, wie immer an diesem Datum, zu dieser Uhrzeit. Doch statt Schneegestöber aus dem Bündnerland wird uns dort «Timm Thaler oder das verkaufte Lachen» empfangen. Kein Billeter weit und breit. Geschweige denn ein Eishockeyspieler. Man vertröstet uns auf Sonntag, den 27. Dezember, wenn der HCD um 17 Uhr 15 den HC Lugano empfängt. Wenn Corona nicht vorher noch eines der beiden Teams in die Quarantäne zwingt.

      2020 endet, wie kaum jemand es erwartete, als es vor knapp zwölf Monaten begonnen hat: ohne Spengler-Cup. Das Traditionsturnier ist längst nicht das erste und bestimmt auch nicht das prominenteste Opfer dieses Seuchenjahres. Eishockey-Weltmeisterschaften, Tennis-Grand-Slam-Turniere, die Fussball-Euro, Olympische Spiele mussten sich dem Virus beugen. Weltklasse Zürich versuchte, der Pandemie mit Kreativität zu trotzen, und liess die Athleten virtuell gegeneinander antreten. Mujinga Kambundji mass sich mit Allyson Felix und Shaunae Miller-Uibo über 150 Meter. Die eine lief in Zürich, die andere in Florida, die Dritte in Kalifornien – zeitgleich und doch Tausende von Kilometern entfernt.

      Ein Loch von zwei Millionen Franken

      Not macht bekanntlich erfinderisch, und die Not war und ist gross. Nicht nur, aber auch im Sport. Die finanziellen Ausfälle sind gewaltig. Dem HCD fehlen ohne Spengler-Cup im Minimum zwei Millionen Franken seiner üblichen Einnahmen, der Umsatz bricht von 29 auf 11 bis 12 Millionen Franken ein. Der kleinste Teil dieses finanziellen Defizits wird vom Nothilfepaket des Bundes abgedeckt.

      Doch zum finanziellen Schaden kommt auch der emotionale, den die Anhänger, die Partner erleiden. Um den Sponsoren zumindest eine kleine Ersatzplattform zu bieten, organisierte der Klub den E-Spengler-Cup, ein Online-Turnier, an dem rund 1500 Gamer teilnahmen. Der Geschäftsführer Marc Gianola sagt, der Anlass sei für den HCD kostenneutral gewesen. «Wir haben damit weder Geld verdient noch verloren.» Im Final vom 26. Dezember treffen das Team Canada und AK Bars Kazan aufeinander. Das Schweizer Fernsehen überträgt live, wenn auch nicht wie üblich auf dem zweiten Sendekanal, sondern nur auf seiner Online-Plattform. Trotzdem mag das für den einen oder anderen besser sein als gar nichts.

      Denn der Spengler-Cup ist mehr als einfach nur ein Eishockeyturnier. Er ist eine Institution im Festtagsprogramm des Durchschnittsschweizers – wie die «Helene-Fischer-Show» am Weihnachtstag und «Dinner for One» an Silvester. Hunderttausende sind mit ihm gross geworden, Tausende sind dank ihm an der Sportart hängengeblieben und wurden zu Eishockeyanhängern. Ohne den Spengler-Cup sähe das Schweizer Eishockey anders aus, wäre die National League ähnlich wie die DEL in Deutschland kaum mehr als ein Nischenprodukt, das im mächtigen Schatten des Fussballs um Beachtung ringt.

      «Big Nedo» (der Tscheche Vaclav Nedomansky) faszinierte das TV-Publikum, lange bevor «Big Joe» (der Kanadier Joe Thornton) einen Hauch von NHL ins Landwassertal trug. Das Turnier war eine Plattform des Kalten Krieges und ein Beitrag zur Völkerverständigung zugleich. Die russischen Vertreter waren Feindbilder und Faszinosa zugleich. Manch einer begann ihre Kultur auf Eis im Stillen zu bewundern, auch wenn das kaum einer zugegeben hätte. Es passte nicht ins politische Klima der Zeit.

      Nachdem der Eiserne Vorhang Ende der 1980er Jahre gefallen war, verlor der Spengler-Cup an Bedeutung. Russen waren plötzlich auch in Ambri, Olten oder Biel zu sehen. Die Besten spielten nicht mehr in Davos, sondern in Freiburg. Das Turnier wandelte sich von der Eishockeyandacht zur einwöchigen Party. «Ischgl on Ice», gewissermassen. Die Eishockeyspezialisten wichen einer feuchtfröhlichen Gemeinschaft. Im Eis-Dom hinter der Hockey-Kathedrale vergassen Anhänger verschiedenster Klubs aus der ganzen Schweiz eine Woche lang ihre Rivalität und fanden einen gemeinsamen Nenner.

      Wirtschaftlicher Erfolg trotz sinkendem sportlichem Wert

      Auch wenn der Wert des Spengler-Cups nicht mehr derselbe ist wie vor 30, 40 Jahren. Das völkerverbindende Element, das der Idee seines Gründers Dr. Carl Spengler zugrunde lag, hat seine Bedeutung verloren. Verstärkungsspieler und Auswahlteams verwässern heute den sportlichen Wert. Der internationale Eishockeyverband hat den Terminschutz des Turniers in der attraktivsten Zeit des Jahres aufgehoben. In Schweden, Finnland, Deutschland laufen die Meisterschaften weiter. Seit 2010 ergänzt ein sechstes Team aus der Schweiz das Teilnehmerfeld, um die Belastung im immer enger werdenden Spielplan zu dämpfen. Nicht jeder erledigt seine Aufgabe mit der Leidenschaft und dem Stolz, wie es der letzte Gast aus Ambri-Piotta im vergangenen Dezember getan hat.

      Der wirtschaftliche Erfolg des Spengler-Cups aber bleibt ungebrochen. Er hält den HC Davos an der Peripherie des Landes mit den Grossklubs aus den urbanen Zentren konkurrenzfähig. Das weckt auch Neid. In der Schweiz hat sich das Turnier die Exklusivität zwischen Weihnachten und Neujahr teuer erkaufen müssen. Die elf Ligakonkurrenten erhalten dafür zusammen pro Jahr eine Entschädigung von über 800 000 Franken. Der laufende Vertrag verlängert sich durch den Ausfall des diesjährigen Turniers automatisch bis nach der Ausgabe 2022. Laut Gianola besteht ein gegenseitiges Interesse daran, die Vereinbarung darüber hinaus fortzuführen.

      Doch unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg, unabhängig von den sportlichen Fragezeichen bleibt der Spengler-Cup ein Monument in der Schweizer Sportlandschaft, ein Kulturgut auf Augenhöhe mit dem Unspunnenfest, der Tour de Suisse oder der Lauberhornabfahrt. Dass er erstmals seit 1949 nicht ausgetragen wird, reisst ein Loch in das Herz all jener, die Eishockey lieben. Es wird definitiv etwas fehlen in diesem Jahr.

      So wie ich Marc verstanden habe (und das hat er schon bei anderen Auftritten gesagt) geht es um dieses Jahr.

      Die grosse Reduktion kommt zu einem guten Teil auch davon, dass viele Spenglercup-Aufwände dieses Jahr auch entfallen.


      Die erste Mannschaft schlug 19/20 mit 9.6Mio zu buche, und von diesen will man bekanntlich etwas um die 1mio einsparen.